Das  Zwangsarbeiterlager Hagen der Organisation Todt

 

In Hagen Nr. 30, in der Mühle von Dietrich Landwehr, gab es im 2. Weltkrieg ein Zwangsarbeiter-Lager. Dort hatte die paramilitärische Organisation Todt ein Lager für Niederländer in einem Stallgebäude eingerichtet.

 

Über die genauen Umstände der Unterbringung im Stallgebäude (wohl Schweinestall) ist nur wenig bekannt, wie auch über die Behandlung der Insassen nichts berichtet worden ist.

 

Die männlichen Insassen stammten größtenteils aus den Niederlanden. Sie waren bei einer Razzia im November 1944 in Rotterdam festgenommen und nach Deutschland verschickt worden. Rund 40 000 arbeitsfähige Männer wurden nach Deutschland verschleppt. Ein kleiner Teil kam nach Leeste-Hagen. Darunter waren der damals 32-jährige Evert van den Berg und Cornelis Gijswei, der später in Kanada und den USA lebte und 2016 im hohen Alter gestorben ist.

 

Das Lager war in der Hagener Mühle Landwehr im Herbst 1944 eingerichtet worden, und zwar in den Lagerräumen und dem Büro der Mühle, sowie in den Stallungen.133

 

Die Zwangsarbeiter wurden im Eisenbahnbau in Kirchweyhe und Leeste-Brinkum sowie in der Bremer Neustadt eingesetzt. Einige der Arbeiter halfen bei der Unterhaltung und Ertüchtigung des Bahngleisbetts für die Trasse der Kleinbahn von Huchting nach Thedinghausen. Sie sollte in dem Fall, dass die Hauptstrecke von den Alliierten unterbrochen worden war, als Ausweichstrecke benutzt werden. Auch wurden die Zwangsarbeiter bei Gleisbauarbeiten der Reichsbahn eingesetzt.

 

Die Strecke der Reichsbahn wurde im März 1945 tatsächlich durch einen Luftangriff auf die Dreyer Weserbrücke unterbrochen, so dass die ertüchtigte Kleinbahnstrecke als Ausweichstrecke dienen konnte, und das für mehrere Monate, insbesondere während der Kämpfe um Bremen im April 1945. So konnte die ertüchtigte Kleinbahntrasse kurz vor dem Kriegsende der Versorgung der umkämpften Stadt Bremen dienen.134

 

Gemeindearchivar Hermann Greve erläutert 2021 den geschichtlichen Hintergrund:135 „Weit über 1000 Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter wurden während des Zweiten Weltkrieges in den damaligen Gemeinden Kirchweyhe, Leeste und Sudweyhe eingesetzt. Sie stammten aus der ehemaligen Sowjetunion und dem früheren Jugoslawien, aus Polen, Italien, Frankreich, Belgien oder den Niederlanden.

 

[…] Nur wenige der zivilen Arbeitskräfte waren freiwillig nach Deutschland gekommen, die Männer und Frauen waren in ihren Heimatländern mehrheitlich zwangsrekrutiert worden oder hatten sich unter massivem Druck seitens der deutschen Besatzer anwerben lassen. Bis zum September 1944 wurden allein im Einwohnermeldebuch der Gemeinde Kirchweyhe etwa 460 ausländische Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen registriert, unter ihnen 200 Männer aus den Niederlanden, die überwiegend von der Reichsbahn beschäftigt wurden.“ 136

 

Einzelschicksale aus dem Lager Hagen: 137

 

  • „Evert van den Berg traf am 20. November 1944 mit einem Zug in Kirchweyhe ein und wurde, wie es scheint, vorübergehend in der Sudweyher Mühlenscheune untergebracht, die damals als Lager für niederländischen Zivilarbeiter genutzt wurde. Nur drei Tage später kam er nach Wulfhoop, um dort in der Pantoffelfabrik Trmac als Bürokraft zu arbeiten. Zeitweise wohnte er in einem Lager der Organisation Todt, das im Leester Ortsteil Hagen, in Gebäuden des Mühlenbetriebs Landwehr, eingerichtet worden war.“
  • „Möglicherweise war auch Cornelis Gijswijt in dieses Lager eingewiesen worden. In einem Gespräch, das sein Enkel Keith Irwin aus dem US-Bundesstaat Colorado 2014 aufzeichnete, berichtet er von einer primitiven Unterkunft, die er und andere Zwangsarbeiter notdürftig hergerichtet hätten. Sofort nach seiner Ankunft in Kirchweyhe sei er bei Gleisbauarbeiten an einer Kleinbahnstrecke eingesetzt worden. Tatsächlich wurden die angeblich 100 niederländischen Zwangsarbeiter, die auf dem Gelände der Hagener Mühle ihr Quartier hatten, zum Ausbau der Kleinbahnstrecke Bremen-Thedinghausen herangezogen“.

 

 

www.weyhe.de: Aktuelles (abgerufen 12.6.21):

 

„Weit über 1000 Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiten wurden während des Zweiten Weltkrieges in den damaligen Gemeinden Kirchweyhe, Leeste und Sudweyhe eingesetzt. Sie stammten aus der ehemaligen Sowjetunion und dem früheren Jugoslawien, aus Polen, Italien, Frankreich, Belgien oder den Niederlanden. [...]

 

Zum weiteren historischen Hintergrund: Nur wenige der zivilen Arbeitskräfte waren freiwillig nach Deutschland gekommen, die Männer und Frauen waren in ihren Heimatländern mehrheitlich zwangsrekrutiert worden oder hatten sich unter massivem Druck seitens der deutschen Besatzer anwerben lassen. Bis zum September 1944 wurden allein im Einwohnermeldebuch der Gemeinde Kirchweyhe etwa 460 ausländische Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen registriert, unter ihnen 200 Männer aus den Niederlanden, die überwiegend von der Reichsbahn beschäftigt wurden.

 

Man schätzt heute, dass zwischen 1940 und 1945 von den rund drei Millionen berufstätigen Niederländerinnen und Niederländer mehr als 600.000 in Deutschland arbeiteten bzw. arbeiten mussten. Als sich die militärische Lage für Nazi-Deutschland zunehmend verschlechterte, überzogen die deutschen Besatzer die Niederlande mit gewalttätigen Arbeitskräfte-Razzien. Die größte Razzia fand am 10. und 11. November 1944 in Rotterdam und Schiedam statt: Mehr als 50.000 Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren wurden festgenommen und überwiegend nach Deutschland verfrachtet. Einige von ihnen erreichten zehn Tage später die Gemeinde Weyhe. Unter ihnen der damals 32-jährige Lehrer Evert van den Berg und offenbar auch Cornelis Gijswijt, der später nach Nordamerika auswanderte und dort 2016 hochbetagt verstorben ist.

 

In beiden Fällen wandten sich Angehörige an das Gemeindearchiv Weyhe, um Hintergrundinformationen zu erhalten. Den Anfang machte im vergangenen Jahr der ehemalige Pfarrer Dr. Johan Smit, der an einer Biografie seiner Schwiegereltern Evert und Tine van den Berg-Versloot arbeitete. Johan Smit berichtet: „Als ich begann ein Buch über ihn und seine Frau Tine Versloot zu schreiben, fand ich in seinen Sachen eine Büchse mit Papieren und Dokumente aus der Zeit, in der er als Zwangsarbeiter in Deutschland war. Obwohl er niemals über seine sechs Monate in Deutschland mit mir geredet hat, wusste ich von meiner Frau, dass es eine eindrucksvolle Zeit für ihn gewesen sein muss, mit vielen Entbehrungen, schlechtem Essen und Gesundheitsproblemen.“

 

 

Evert van den Berg traf am 20. November 1944 mit einem Zug in Kirchweyhe ein und wurde, wie es scheint, vorübergehend in der Sudweyher Mühlenscheune untergebracht, die damals als Lager für niederländischen Zivilarbeiter genutzt wurde. Nur drei Tage später kam er nach Wulfhoop, um dort in der Pantoffelfabrik Trmac als Bürokraft zu arbeiten. Zeitweise wohnte er in einem Lager der Organisation Todt, das im Leester Ortsteil Hagen, in Gebäuden des Mühlenbetriebs Landwehr, eingerichtet worden war.

 

Möglicherweise war auch Cornelis Gijswijt in dieses Lager eingewiesen worden. In einem Gespräch, das sein Enkel Keith Irwin aus dem US-Bundesstaat Colorado 2014 aufzeichnete, berichtet er von einer primitiven Unterkunft, die er und andere Zwangsarbeiter notdürftig hergerichtet hätten. Sofort nach seiner Ankunft in Kirchweyhe sei er bei Gleisbauarbeiten an einer Kleinbahnstrecke eingesetzt worden. Tatsächlich wurden die angeblich 100 niederländischen Zwangsarbeiter, die auf dem Gelände der Hagener Mühle ihr Quartier hatten, zum Ausbau der Kleinbahnstrecke Bremen-Thedinghausen herangezogen.

 

Die eingleisige Bahnlinie war seit 1915 in Kirchweyhe mit der Reichsbahnstrecke Hamburg-Bremen-Osnabrück-Ruhrgebiet verbunden und sollte belastungsfähiger gemacht werden. Man befürchtete, dass die Eisenbahnbrücke (der Strecke Osnabrück-Bremen-Hamburg) bei Dreye durch alliierte Luftangriffe zerstört und für längere Zeit unbenutzbar sein würde. Für diesen Fall wollte man Vorsorge treffen: Über die ausgebaute Kleinbahnstrecke Bremen-Thedinghausen sollte bei Bedarf der Zugverkehr umgeleitet werden. Dieser Fall trat ein, als am 21. März 1945 die Weserbrücke durch einen Luftangriff teilweise zerstört wurde.

 

Die Versorgung der Zwangsarbeiter mit Nahrungsmitteln war dürftig. Einige der Niederländer verrichteten nach Feierabend Gartenarbeiten für Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner, um eine Mahlzeit zu erhalten. Eine Weyherin, die im Bahnhofsviertel wohnte, schmierte Brote für die Holländer und deponierte sie in einem Versteck. Cornelis Gijswijt half einer Frau in Dreye, deren Mann an der Front eingesetzt war.

 

Hier stehen noch weitere Recherchen aus.

4.7.8.1 Der Leester Ortsteil Hagen 

4.7.8.1.1 Lage und Namensursprung von Hagen 

4.7.8.1.2 Die Entwicklung der Einwohnerzahlen in Hagen 

4.7.8.1.3 Hagener Hofstellen 1-12

4.7.8.1.3 Hagener Hofstellen 13-43

4.7.8.1.3 Hagener Hofstellen 44 - Lage der Hofstellen

4.7.8.1.3.1 Hagen_2: Schierenbeck 

4.7.8.1.3.2 Der Hof Hagen 3: Rose 

4.7.8.1.4 Gewerbe auf dem Hagen 

4.7.8.1.5 Stromversorgung auf dem Hagen 

4.7.8.1.6 Hagen im Ersten Weltkrieg 

4.7.8.1.7 Hagen im Zweiten Weltkrieg 

4.7.8.1.7.1 Kriegsvorbereitungen 

4.7.8.1.7.2 Kriegstote aus Hagen im 2. Weltkrieg 

4.7.8.1.7.3 Bombentreffer und Kriegshandlungen 

4.7.8.1.7.4 Das Zwangsarbeiter-Lager Hagen der Organisation Todt

Anmerkungen