Die Frachtfahrer

Geschichtsgruppe K. Hahn/W. Polley/P. Athmann

 

Schon im 17. und 18. Jahrhundert war Frachtfahren ein Haupteinnahmequelle der Leester Landwirte. In einem Bericht des Pfarrers J.H. Holzmann aus dem Jahre 1785 heißt es: 
 
"Leeste hat 5 Vollmeierhöfe, 20 Halbmeier, 21 Kötner, 22 Großbrinksitzer, 85 Kleinbrinksitzer und 140-150 Häusler. Als 'Contribution' werden monatlich 84 Thaler geleistet, an Viehschatz um Michaelis 96 Thaler. ... Bei denen, die eigene Stellen haben, ist das Frachtfahren der stärkste Betrieb. ... Die Schuldenlast wird gewiß eine Summe von 70000 -80000 Talern betragen. Sie entstehen daher, wenn die Frachtfahrer ihre Pferde überladen, dabei schlecht auf ihre Pferde und Geschirr achtgeben, alsdann krepieren die Pferde. [...]  Durch das Frachtfahren wird ... bei den meisten der Ackerbau als ein Nebengewerbe angesehen. Sie lassen ihren Acker liegen und bestellen ihn nicht zur gehörigen Zeit.“
 
Friedrich Wilhelm Reden stellt 1839 fest: "Die einheimischen Fuhrleute wohnen vornehmlich: in und bei Hannover, in Leeste, Barrien und Brinkum Amts Syke, in ..." 15
 
Nach den Feststellungen von C.H. Hüchting, der sich wohl auf die Handelsstatistik von Friedrich Rauers stützt, gab es um 1830 in Leeste, Brinkum sowie benachbarten Ortschaften und der Stadt Bremen insgesamt mindestens 250 Fuhrleute, von denen Leeste mit 178 Namen die weitaus größte Anzahl stellte. Nach F.Rauers tauchen im Zeitraum 1825 - 1856 als Fuhrleute in Petitionen oder im Hänselbuch im "Engel" in Nürnberg auf: 178 aus Leeste, 9 aus Erichshof, [,,,] 1 aus Sudweyhe. 1825 spricht der Besteder Schaer von 300 Wagen für die Leester.16

Es sind nur wenige Aufzeichnungen in den Archiven vorhanden, die uns etwas über die Namen der Frachtfahrer mitteilen. Das älteste bekannte Foto eines Leester Frachtfahrers in seiner Fuhrmannstracht zeigt im Jahr 1857 den Fuhrmann Johann Drücker.

 

Auch Erichshof profitiert von dem Frachtverkehr: Es siedeln sich 1790 allein 4 Schmiedemeister an, 1 Radmacher,  1 Drechsler,  2 Tischler,  1 Besenbinder,  2 Schneider. Viele leihen ihre Pferde aus oder verdingen sich als Frachtfahrer für Zulieferdienste aus Bremen.

 
1837 betreiben 9 Erbenzinsleute von Erichshof und 1 Häusler das Frachtfahren für Bremer Kaufleute im Nebenerwerb. Bis 1849 sind es - wegen des forcierten Eisenbahnbaus - nur noch 2 Erbenszinsmänner. 


Mitte des 19. Jahrhunderts kommen dann Tischler und Zimmerleute, Maurer und Dachdecker hinzu, die für den Bau neuer Wohnhäuser, Gastwirtschaften und Wirtschaftsbetriebe benötigt werden.

 
Im Bericht des Amtsvogts von Brinkum, Sudholz, heißt es 1850 über die Zeit um 1800 über die Erichshofer Colonisten:

  • 1. war die nur 3/4 Meilen entfernte Stadt Bremen noch allerhand Lieferungen und Arbeits-HülfsLeistungen von hieraus bedürftig, namentlich ansehnlicher Zufuhr von Streusand, von Victualien, Garten- und sonsiger Früchten, Besen pp
  • 2. Das Frachtfuhrgewerbe blühte noch und verstattete beliebige Teilnahme und vielfache Vorspanndienste; und gestattete jedem Erbenzinsmann auch die für seine Ackerbauwirtschaft, namentlich auch durch Dünger-Anfuhr de Bremen, so vorteilhafte Haltung von Fuhrwerk.


Für die Frachtfahrer ging mit der aufkommenden Eisenbahn eine Ära zu Ende: Die Fahrten nach Süd- und Westdeutschland gingen immer mehr zurück.

 
Dennoch werden 1901 noch 163 Fuhrwerke auf der Chaussee Syke - Bremen gezählt. Die Anwohner beschweren sich über den Lärm.17


Den Fuhrleuten bleibt zunächst aber noch die Verteilung der Waren mit Pferdefuhrwerken in den einzelnen Orten rund um Bremen. Der Warenverkehr insgesamt steigt mit der Eisenbahn, der Dampfschiffahrt und den fallenden Zollschranken stark an. Mit der entstehenden Industrialisierung kommt die Brennstoffversorgung der Fabriken (Kohle) und die Verteilung der hergestellten Waren hinzu.


Bei H.G- Kohl, dem Autor von Reisebeschreibungen, bekommen 1852 die “Leister” nicht nur Lob: 
"Auch bei unserer norddeutschen Handelsstadt Bremen war früher ein großes Fuhrmannsdorf, Namens Leeste, das größtentheils nur von dem Frachtverdienste, den die nahe Handelsstadt gewährte, existirte. Obwol der Handel von Bremen blühte, so wurden diese Frachtfuhrleute von Leeste doch nie recht wohlhabend. Zuweilen wurden wohl einige reich; allein Verschwendung und Völlerei zerstörten bald alle angesammelten Capitalien wieder. Der Segen des Himmels waltete nicht in diesem Fuhrmannsdorfe. Als die Eisenbahnen kamen, glaubten die Fuhrleute von Leeste, sie müßen alle Bankerott machen, und jetzt sei es mit ihrem Dorfe ganz und gar aus. — Als ich kürzlich in Bremen war, erkundigte ich mich nach dem Schicksale der Fuhrleute von Leeste, und man sagte mir, sie hätten sich alle dem Ackerbaue zugewandt und ihre ehemals nur zu sehr vernachlässigten Aecker gebessert, und obwol ihnen nicht mehr so viel baares Geld aus Bremen zuflösse, wie früher, so hätte sich doch nun erst wahres Wohlsein und Glück unter den Leuten verbreitet. Es sei dem Dorfe Leeste gerade so gegangen, wie Spanien, das auch erst wohlhabend zu werden angefangen habe, seitdem nicht mehr so viel Gold und Silber aus Amerika ins Land geflossen sei." 18

 

 

Fuhrleute aus Leeste im 18. Jahrhundert 19


Abk.: VM=Vollmeyer, HM=Halbmeyer, Kö=Kötner, Br=Brinksitzer, GBr=Großbrinksitzer, KlBr=Kleinbrinksitzer
Verz1760 = aufgeführt im Verzeichnis des Syker Amtsvogts Hörmann von 1760 20
Zehntl1746 = aufgeführt in der Karte der Zehntländer von 1746 21