Paul Athmann
(Kapitel in Bearbeitung - hierzu müssen noch weitere Unterlagen aus dieser Zeit ausgewertet werden)38
Wie der Name ja schon sagt und die Satzung bestätigt, war der Kriegerverein von Anfang militaristisch und nationalistisch ausgerichtet – auch wenn ein Hauptzweck des Vereins die Unterstützung notleidender Kameraden war. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, haben sie daher die Kriegervereine auch nicht aufgelöst oder mundtot gemacht, sondern sie im Gegenteil gefördert. Sie wurden allerdings gleichgeschaltet und in die NS Organisationen eingegliedert. Sie wurden Teil des Systems, indem sie zur Suche von KZ Personal, zur Verbreitung von Propagandamaterial und im Krieg zur Heranführung von Freiwilligen zur Wehrmacht eingebunden wurden.
Ehrenwache 1938: Das Kriegerdenkmal von 1893 wird durch 2 Mitglieder des Krieger-Vereins bewacht - mit der neuen Kyffhäuser- Kluft (Mantel, Mütze) und den Hakenkreuz-Armbinden.
Die Umwandlung des Krieger-Vereins zur NS Organisation erfolgt in Leeste schleichend:
Zuerst wird Propagandamaterial an den Verein geschickt, um die neue Sicht der NS-Gesinnung zu verbreiten. Bücher wie Hitlers „Mein Kampf“ werden zur Lektüre empfohlen. Es soll damit „im Sinne der weiteren Vertiefung und Festigung des nationalsozialistischen Gedankengutes am Aufbauwerk des Führers“ mitgeholfen werden.39
Gleichzeitig werden die Vereine erfasst: Die Anzahl der Mitglieder muss jetzt jährlich gemeldet werden („Stärke-Nachweis“). Gegenstand der Erfassung sind die Anzahl der Mitglieder, die in nationalsozialistischen Organisationen eingetreten waren genauso wie auch in sozialistischen Gewerkschaften und Parteien, sowie die Existenz von vereinseigenen Büchereien.
Die abgegebenen Stärke-Meldungen ergeben für die Jahre 1935-1942 folgende Zahlen:
Jahr | Mitg. | Ehrenmitg. | in NSDAP |
1935 | 176 | 9 | 15 |
1936 | 172 | 10 | |
1937 | 174 | 9 | |
1938 | 171 | 9 | |
1939 | 179 | 22 | |
1941 | 188 | ||
1942 | 186 |
Mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 werden die Länderparlamente aufgelöst und die Hoheitsrechte dem Reich übertragen. 1934 löst der Bundesführer Oberst Reinhard auch den Bundesrat und Beirat des Deutschen Reichskriegerbundes „Kyffhäuser“ auf. Ebenso werden die Landes-Kriegerverbände abgeschafft und in Angleichung an die bestehende SA-Gruppeneinteilung neue Landesverbände geschaffen. Dieser Maßnahme folgte die Änderung der Bezeichnung „Krieger-Verein“ in "Krieger-Kameradschaft". 40
Die Umbenennung in Kriegerkameradschaft statt Kriegerverein dient wohl auch dem Zweck, den Vereinen eine Rolle im NS-System zu geben: nicht wie ein loser Verein, sondern eine Organisation unter dem Führer Hitler soll es sein, eng mit der SA verknüpft und die SS und Gestapo unterstützend.
Auch wird zu diesem Anlass die Uniform und die Abzeichen der Krieger vereinheitlicht: Eine Bundestracht mit Kyffhäusermütze und Kyffhäuserarmbinde wird eingeführt, dazu muss die Hakenkreuz-Armbinde getragen werden.
Als nächster Schritt wird ein „Parolenbuch“ angelegt, in dem für jede Aktion, jede Feierlichkeiten und jede Situation genaue Vorschriften zur Kleidung, Auftreten und Tätigkeiten beschrieben sind. Außerdem sind die Berichtspflichten darin geregelt und Vereinssatzungen vorgegeben.
Ab 1935 gilt auch das Führerprinzip in den Organisationen: Beschlüsse des Vorstandes müssen nicht mehr von der Generalversammlung gefasst oder bestätigt werden.41
Zu den Aufgaben des Reichskriegerbundes gehört auch, „den Schießsport auf eigenen Schießständen zu pflegen“. 42
Aus den Jahren 1935 – 1938 sind viele Schreiben des Landesverbandes Nordsee ebenso wie vom Kreisverband in Syke an den Verein erhalten, die Anweisungen zum Verhalten und Auftreten enthalten. So schreibt der Landesführer, Generalleutnant a.D. Fritsch am 20. Juli 1935 unter anderem: „… muss aber als verantwortungsbewusster Führer und als alter Offizier auch das anführen, was mir außerordentlich mißfallen, ja mich mit größtem Befremden erfüllt hat. Ich weiß, daß der Aufmarsch, das lange Stehen auf dem Platz, die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit, die vier dort gehaltenen Reden verstehen zu können, für viele der Kameraden unbequem gewesen ist und sogar einen gewissen Unwillen ausgelöst hat. […] habe ich keinerlei Verständnis dafür, wie sich das bei einer großen Zahl von Kameraden ausgewirkt hat. Mit fassungslosem Erstaunen und tiefster Empörung habe ich feststellen müssen, daß sehr bald eine Massenflucht vom Platz eintrat, der sich sogar Fahnenträger mit ihren Fahnen anschlossen.“
Die Zusammenarbeit mit der NSDAP, der SS, SA und der Gestapo wird dabei immer wieder angemahnt.43 Veranstaltungen sind mit der NSDAP abzustimmen. Bei der Neuaufnahme von Mitgliedern ist die NSDAP zu informieren, „damit nur einwandfreie deutsche Volksgenossen in unseren Reihen eintreten.“ 44 Die Propaganda ist zu unterstützen und im Verein zu etablieren. Schulungskurse werden angeboten.
Rednerlisten sollen aufgestellt werden. Die Kameradschaft soll an den Veranstaltungen der NSDAP teilnehmen. Ein Propagandawart soll benannt werden. 45
Veranstaltungen sollen militärisch aufgezogen werden:“ Aufmärsche, Fahneneinmärsche, Kyffhäuseranzug.“ 46 „Varieté oder sonstige kitschigen Vorführungen“ sollen vermieden werden.
Ende Juli 1935 kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Ortsgruppe Leeste des „Stahlhelm“, einer ehemals der deutsch-nationalen Volkspartei nahestehenden Organisation, die aber 1933 zu einer gleichgeschalteten NS Organisation wird. Der Ortsgruppenführer Heinrich Freese wirft in einem Brief an Gerd Bätjer, dem Vorstand des Kriegervereins, diesem „unkameradschaftliches und beleidigendes Verhalten“ vor, da er den Stahlhelm nicht zum Kreiskriegerverbandsfest eingeladen habe. Bätjer wird aufgefordert, aus dem N.S.D.F.B (Stahlhelm) auszutreten. Der Aufforderung kommt der Kriegerverein umgehend am 4. August nach, nachdem Bätjer in einem persönlichen Brief Freese sein Erstaunen darüber mitgeteilt hat, dass Freese aufgrund von „von dritter Seite in gehässiger Weise zugetragener Mitteilungen“ zu Folgerungen gelangt sei, „die in ihrem Endergebnis zur schwersten Gefährdung der anzustrebenden Volksgemeinschaft innerhalb unsers Ortes führen könnten“.47 Weitere Unterlagen zu diesem Vorgang sind in der Akte des Kriegervereins nicht vorhanden. Am 4.12.1935 verweist allerdings der Kreisverband auf eine Verfügung des Bundesführers, wonach ehemalige Mitglieder des „Stahlhelms“ nach Prüfung durch die NSDAP aufgenommen werden sollen.48
Nach Beginn des Krieges mit Polen wird der Reichskriegerbund voll in die Rekrutierung von freiwilligen Soldaten eingebunden: Meldevordrucke für die Einstellung Freiwilliger in die Wehrmacht werden verteilt, mit dem Hinweis, „in der Hauptsache jüngere Jahrgänge auf die Möglichkeit und Pflicht“ hinzuweisen.49 Auch für Personal zur Bewachung von Konzentrationslagern als Verstärkung der SS wird in den Kriegervereinen ab 1940 geworben, und zwar explizit für das KZ Buchenwald bei Weimar, das KZ Dachau und das KZ Mauthausen. 50
Im Juli 1940 wird dem Reichskriegerbund auch aufgetragen, die Ordnungspolizei bei Such- und Fahndungsaktionen sowie bei der Katastrophenbekämpfung zu unterstützen. 51 Es geht dabei wohl unter anderem um Fahndung nach entflohenen Kriegsgefangenen oder feindlichen Fallschirmspringern sowie um Beseitigung von Schäden infolge Feindeinwirkungen.
1940 Foto/Repro: Gemeindearchiv Weyhe
Auch 1940 wird eine Ehrenwache vor dem Denkmal vom Kriegerverein aufgestellt – jetzt zu Kriegszeiten allerdings mit Stahlhelm und Reichskriegsflagge. Auf dem Rathaus (Schulgebäude) ist ein Beobachtungsturm errichtet worden – man ist auf den Feind vorbereitet.