Mühle der Genossenschaft Erichshof

Paul Athmann
 
1924 zeichnet J.H.Rodenbostel Pläne für eine Mühle der Erichshofer Ein- und Verkaufsgenossenschaft. Die Mühle wird an der Chaussee (heutige B6, Bremer Str.37) errichtet.


Vermutlich ist sie als Ersatz für die 1922 abgebrannte Windmühle von Gerd Dunkhase anzusehen.

 

Zunächst hatte man auf die Mühle von Friedrich Meyer gesetzt, was sich aber nicht realisieren ließ.

 

 

Die Mühle hatte nach den Plänen 2 Mahlgänge und war mit einem Elektromotor ausgestattet.

 

Der Bau der Mühle wich insofern von den Plänen ab, als nur ein Mahlgang eingerichtet wurde. Die Technik war schon mit Elektromotor ausgestattet, aber noch wie in den Wind- und Wassermühlen und auch den Dampfmühlen auf das Transmissionsprinzip ausgerichtet: Ein zentraler Elektromotor trieb eine mit einem Schwungrad versehene Welle an, an die verschiedene Maschinen und Mahlgänge angeschlossen waren.

 

 

Dieses Prinzip wurde verlassen beim großen Umbau 1957, als die Technik komplett modernisiert wurde (siehe Kasten): in einem Anbau wurden 2 Elektromotoren für die  jetzt auf 2 Mahlgänge erweiterte Mühle untergebracht, und jedes Aggregat bekam einen eigenen Elektromotor. Damit konnte der Müller Fritz Lentz pro Mahlgang maximal 1 Tonne Futtermehl produzieren.

 

 

Die Mühle mitsamt dem Lagerschuppen war Eigentum von August Troue, dem Gründer und Geschäftsführer der Genossenschaft. Sie wurde von ihm als Lohnmühle für die Genossenschaft betrieben.

 

 

In den 1960er Jahren wurde die Technik weiter verfeinert durch Einbau einer automatischen Abfüllanlage für die Mehlsäcke. Damit konnte die Produktion von Futtermehl für Schweine als wichtigstes Erzeugnis der Mühle gesteigert werden.

 

 

Mit der Umstellung der Lieferung von Getreide Ende der 1960er Jahre durch die Bremer Lagerhausgesellschaft auf lose Ware per Tankwagen - statt in Säcken - stand eine nötige Investition eines großen Getreidesilos an. Diese erschien aber für die kleine Mühle wirtschaftlich nicht tragbar, weswegen dann die Einstellung des Mahlbetriebs beschlossen wurde.

 

 

Die Genossenschaft existierte bis Ende der 1960er Jahre . 1  Der Gründer der Genossenschaft, August Troue, übernahm die Mühle 1922. Sein Schwiegersohn Fritz Lentz betrieb die Mühle ab 1957 bis zu ihrer Schließung Anfang der 1970er Jahre, zusammen mit der Auflösung der Genossenschaft.

 


Die Mühle stand in unmittelbarer Konkurrenz zur nahegelegenen Motormühle von Friedrich Meyer. Es gab zwischen diesen beiden auch gerichtliche Auseinandersetzungen wegen angeblicher Geruchs- und Lärmbelästigungen.1

 

Ab den 1980er Jahren ist der Zahntechniker Enz dort mit seiner Werkstatt eingezogen.

Neben dem Mühlengebäude steht ein Lager mit Laderampe (Nr. 35a). Es gehörte zur Mühle, wurde aber in den letzten Jahren verkauft. Jetzt ist dort  eine Tischlerei eingezogen.

Jürgen Lentz, Rinteln                                                                                                   Im November 2023

 

 

Einige Anmerkungen zur Genossenschaftsmühle Erichshof

 

Die eigene Genossenschaftsmühle war nach meinen Informationen, die im Wesentlichen auf Erzählungen und Dokumente aus der Familie beruhen, nicht geplant, als sich 1919 die Landwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft Erichshof gründete. Die Gründer, etwa 10 Männer aus Erichshof und Nachbarorten, bestimmten vom Start weg den Landwirt und Tischler August Troue (1888 – 1968) zum Geschäftsführer.

 

Troue war übrigens von 1925 bis 1928, als die selbständige Gemeinde Erichshof im Zuge der reichsweiten Kommunalreform in die Gemeinde Leeste überging, Bürgermeister.

 

Die Genossenschaft setzte in den ersten Jahren jedenfalls als Partner auf den Müller Friedrich Meyer als Produzenten von Futtermehl. Diese Zusammenarbeit endete um 1924. Denn aus dem Jahr stammt der Plan der Melchiorshauser Spezialisten J.H. Rodenbostel für die Genossenschaftsmühle. Gebaut wurde in der bisherigen Tischlerwerkstatt des Geschäftsführers an der damaligen Syker Straße, heute Bremer Straße 37. Anders als in Rodenbostels Entwurf bekam die Genossenschaftsmühle nur einen Mahlgang. Der zweite, den der Planer skizziert hatte, kam erst viel später unter anderen technischen Vorzeichen.  Die erste Mühlenversion funktionierte nach dem Transmissionsprinzip -  ein großer Elektromotor trieb über Riemen Mahlsteine, Mischmaschine, Elevatoren und, und, und an – bis 1957.

 

In jenem Jahr wurde groß umgebaut und technisch umgerüstet. Dafür musste ein Schweinestall im Rücken des Mühlengebäudes weichen. In dem neuen Anbau bekamen der alte Mahlgang und ein neuer zweiter ihren Raum und ihre Antriebe in Form von 2 Motoren (je 20 PS) in einem Kellergeschoss, und von da hatte jedes Aggregat in der Mühle seinen eigenen Motor. Mit den beiden Gängen und den angeschlossenen Mischmaschinen konnten der Müller Fritz Lentz und Kollegen jetzt maximal 1 Tonne Futtermehl je Mahlgang produzieren. Lentz war durch die Heirat mit Troues Tochter Elisabeth 1947 der Schwiegersohn des Mühlenbesitzers geworden.

 

Die Gebäude – also Mühle und Lagerschuppen – blieben August Troues Eigentum. Er betrieb Lohnmüllerei für die Genossenschaft und trug auch die Investitionen in Technik und Gebäude – und leitete die Geschicke der Genossenschaft. Diese wurden durch Gremien der Erichshofer sowie durch die Hauptgenossenschaft Hannover kontrolliert. Die Technik wurde in den 60er Jahren weiter verfeinert, unter anderen durch eine automatische Waage zum Befüllen der Mehlsäcke. Futtermehl war die wohl wichtigste Komponente im Sortiment der Genossenschaft. Dazu kamen Geflügel- und Rinderfutter, Düngemittel und Kohlen.

 

Die letzte größere Investition, die zum Weiterbestehen der Mühle nötig gewesen wäre, wurde nicht getätigt, weil sie wirtschaftlich nicht tragbar schien. Ende der 60er Jahre kündigte die Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG) an, kein Getreide mehr in Säcken abzugeben sondern nur lose. Das hätte in Erichshof eine neue Siloanlagenötig gemacht. Hinzu kam, dass die Genossenschaft weniger Umsatz machte, weil Viehhaltung bei den kleinen Leuten immer weniger wurde und viele kleine Bauern aufgaben.

Die Genossenschaft wurde Anfang der 70er Jahre aufgelöst. Die Mühle wurde demontiert. Einige Maschinen aus Erichshof liefen in anderen Mühlen weiter, die technisch noch nicht soweit waren. Troues Erbin Elisabeth Lentz und Familie bauten das Mühlengebäude zum Büro- und Wohnhaus um. Der ehemalige Lagerschuppen – jetzt eine Tischlerei  - und später auch das Mühlengebäude – heute ein zahntechnisches Labor – wurden von Familie Lentz nach und nach verkauft.

 

 


1 Laut der Leester Schulchronik ist die Genossenschaft 1967 aufgelöst worden. – s.  Schulchronik den Schule in Leeste (Abschrift K.Hahn) Teil3 , S. 2 (S.12).