Kriegervereine

Die Entstehung der Kriegervereine

Autor: H. Greve

 

Die lange Friedensperiode zwischen dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges im August 1914 war geprägt von einer zunehmenden Militarisierung der deutschen Gesellschaft. In der Hohenzollern-Monarchie genoss Militärdienst hohes Ansehen, galt militärischer Drill in der Schule als probates Erziehungsmittel, wurde Kriegsveteranen großer Respekt gezollt. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der Kriegervereine, die Reservisten und ehemalige Kriegsteilnehmer aufnahmen. In ihren Satzungen betonten sie, „die Liebe zu Kaiser und Reich“ bei ihren Mitgliedern pflegen, das Nationalbewusstsein fördern und die Erinnerung an die gemeinsame militärische Dienstzeit pflegen zu wollen. Ein nicht minder wichtiges Anliegen der Kriegervereine war, bedürftige Veteranen aus den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 sowie deren notleidende Hinterbliebene finanziell zu unterstützen.

 

Als sich die Arbeiterbewegung zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft entwickelte und ihre Organisationsstrukturen massiv verstärkte, begannen Regierung und Armee die Kriegervereine zur Bekämpfung der Sozialdemokratie aufzubauen. Seit den 1880er Jahren bemühte sich die Regierung, den Ausschluss sämtlicher Sozialdemokraten und Gewerkschaftsmitglieder aus den Vereinen voranzutreiben. Nachdem mehr und mehr Sozialdemokraten ausgeschlossen worden waren, forderten Parteivertreter ihre Genossen auf, freiwillig die Kriegervereine zu verlassen bzw. nicht einzutreten. Die Kriegervereine wurden zu einem wichtigen Instrument zur Bekämpfung der Sozialdemokratie im Deutschen Reich.

 

Im Frühjahr 1873 bildete sich der Deutsche Kriegerbund, dem 1884 der Reichskriegerverband folgte. Streitigkeiten unter den zahlreichen Kriegervereinen führten zur Aufsplitterung und gelegentlich auch zum Untergang von einzelnen Verbänden.

 

Im April 1875 wurde ein Kriegerverein für das damalige preußische Amt Syke ins Leben gerufen, dem aber offenbar vor allem Einwohner aus den heutigen Ortsteilen Syke und Steimke angehörten. Der Plan, eine Vereinigung für den gesamten Amtsbezirk zu bilden, wurde offenbar schon bald aufgegeben. Fest steht, dass es noch im selben Jahr zur Gründung eines weiteren Kriegervereins im Amtsbezirk kam – in Kirchweyhe. […]

 

Anfang des 20. Jahrhunderts waren sämtliche Landeskriegerverbände des Deutschen Reiches in dem im September 1900 gegründeten Kyffhäuserbund der deutschen Landeskriegerverbände vertreten, der 27 Landesverbände mit 22.000 Vereinen vereinte. Im Oktober 1913 verfügte der Kyffhäuserbund über 2.837.944 Mitglieder, die vor allem der Mittel- und Unterschicht angehörten.

 

1896 war in Thüringen (auf dem Kyffhäuser-Berg) das Kyffhäuser-Denkmal, eines der großen Kaiser-Wilhelm-Denkmäler, eingeweiht worden. Mit dessen Errichtung wollten sich die deutschen Kriegervereine als Hüter und Bewahrer der 1871 durch Blut und Eisen geschmiedeten Reichseinheit vor allem gegen die deutsche Sozialdemokratie positionieren, die sie zu den inneren Feinden des letzten deutschen Kaiserreichs zählten. Dem Reich, das einst an innerem Zwist zugrunde gegangen war, sollte ein solches Schicksal kein zweites Mal widerfahren, und das mächtige Kyffhäuser-Denkmal sollte diese Entschlossenheit zum Ausdruck bringen.

 

Der vier Jahre später gegründete "Deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser" umfasste als Dachverband schon bald nahezu sämtliche Kriegervereine des Kaiserreichs.

 

In der Weimarer Republik bildete und schuf der formell unpolitische Kyffhäuserbund einen fruchtbaren Boden für die Verherrlichung des Ersten Weltkriegs und die Verbreitung der Dolchstoßlegende sowie der behaupteten Kriegsschuldlüge. Die etwa 29.000 lokalen Kriegervereine pflegten neben einer intensiven Kameradschaft und der Fürsorge für Kriegsversehrte den Mythos des Frontkämpfertums. Vielfach waren sie die Haupt- oder zumindest Mitinitiatoren für den Bau von Kriegerdenkmälern.

 

Auf der Kyffhäusertagung vom 7. Mai 1933 in Berlin bekannte sich der damalige Präsident General der Artillerie Rudolf von Horn mit dem ganzen Kyffhäuserbund zu Adolf Hitler und besiegelte damit das Ende der bis dahin selbständigen Landesverbände. Bereits am 21. Mai erfolgten die erste grundlegende Führeranordnung und der Umbau des Bundes unter Aufhebung der bisherigen vollen Selbständigkeit der einzelnen Landesverbände. Die parlamentarische Vereinsführung wurde abgeschafft. An die Stelle des Mehrheitsbeschlusses trat die Führeranordnung.

 

Im August 1933 bestimmte von Horn die bisher von der Kyffhäuserjugend geführte Flagge zur Bundesflagge und ordnete an, dass diese künftig als einheitliches Bundessymbol von jedem Bundesverein neben der Vereinsfahne zu führen sei. Die Flagge bestand aus rotem Stoff, in dessen ganzer Fläche das Eiserne Kreuz stand und dessen Mittelpunkt im Weißen Kreis die Umrisse des Kyffhäuserdenkmals zeigte. An dieser Flagge wurde der Hakenkreuzwimpel befestigt. Als einziger Schmuck trug der Flaggenstock eine vergoldete Spitze mit dem Eisernen Kreuz.

 

Die Vereinheitlichung des Reichskriegerbundes „Kyffhäuser“ schritt weiter fort. Eine Bundestracht mit Kyffhäusermütze und Kyffhäuserarmbinde wurde eingeführt, dazu musste die Hakenkreuz-Armbinde getragen werden. Mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 wurden die Länderparlamente aufgelöst und die Hoheitsrechte dem Reich übertragen. Auswirkungen hatte dieses Gesetz auch auf die Organisationsstruktur des Reichskriegerbundes. Mit dem 13. März 1934 löste der Bundesführer Oberst Reinhard den Bundesrat und Beirat des Deutschen Reichskriegerbundes „Kyffhäuser“ auf. Ebenso wurden die bisher existierenden Landes-Kriegerverbände mit Wirkung zum 1. Juli 1934 abgeschafft und in Angleichung an die bestehende SA-Gruppeneinteilung 22 neue Landesverbände geschaffen. Dieser Maßnahme folgten die Änderung der Bezeichnung Verein in "Krieger-Kameradschaft" und die Auflösung der Frauengruppen, deren Aufgaben von der Frauenschaft der NSDAP übernommen wurde.

 

Die Wohlfahrtseinrichtungen der bundesstaatlichen Landeskriegerverbände waren bis 1935 selbständig geblieben, wurden aber zum 1. Januar 1936 der Deutschen Krieger-Wohlfahrtsgemeinschaft (dem ehemaligen Deutschen Kriegerbund) zugeordnet. Der Abschluss der inneren Organisation erfolgte am 1. April 1937 mit der Neugliederung des Kyffhäuserbundes, der in 13 Landesgebiete (nicht mehr Landesverbände) eingeteilt wurde. Diese entsprachen jetzt den Oberabschnitten der SS. Mit der Verordnung vom 4. März 1938 wurden alle anderen Soldatenbünde in den NS-Reichskriegerbund eingegliedert. Nur die NSKOV (National-sozialistische Kriegsopferversorgung) mit ihren Sonderaufgaben für Kriegsbeschädigte blieb neben dem NS-Reichskriegerbund bestehen. Der NS-Marinebund und der Deutsche Kolonialkrieger-Bund durften ihre Namen behalten, mussten sich aber organisatorisch dem Reichskriegerbund unterstellen. Durch Anordnung Hitlers wurde der Deutsche Reichskriegerbund „Kyffhäuser“ am 4. März 1938 in NS-Reichskriegerbund „Kyffhäuser“ umbenannt.

 

Am 3. März 1943 löste Adolf Hitler den Kyffhäuserbund auf Reichsebene auf. Anlass war die verlorene Schlacht von Stalingrad. Das Vermögen wurde der NSDAP übertragen und die weiter bestehenden lokalen Vereine, die in der Endphase des Zweiten Weltkriegs den Grundstock für die Volkssturm-Einheiten bildeten, der Partei unterstellt

 

Durch Kontrollratsgesetz Nr. 2 (Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen) vom 10. Oktober 1945 werden alle Organisationen und Einrichtungen, die der nationalsozialistischen Herrschaft gedient haben, „abgeschafft und für ungesetzlich erklärt“, so unter anderem auch der NS-Reichskriegerbund.

 

1952 begann die Wiedergründung des Verbandes mit allen Landesverbänden. Heute betont er seine Rolle als Reservisten- und Schießsportverband.