Hahn/Ratjen/Riehn
Zwischen 1897 und 1925 stand in Leeste am Rande der Marsch (Am Weidufer) eine Ziegelei, die von einer Genossenschaft betrieben wurde. Heute liegt dort die kleine Siedlung "Im Wiesengrund".
Geschichte der Ziegelei 214
Der Landwirt Heinrich Wetjen (*1855) erhält nach dem Tode seines Vaters Albert Wetjen (1894) die Hofstelle "Leeste Nr. 1" (heute Leester Str. 34). Zu dieser Hofstelle gehören auch die Grundstücke "Auf der Imhorst" am Rande der Leester Marsch, am "Kommunalweg nach Weidufer" (dem heutigen "Am Weidufer") gelegen. Auf diesen Grundstücken entsteht später die Leester Ziegelei.
Heinrich Wetjen mit seiner Frau Meta geb. Böse. Er ist auch Gesellschafter der Ziegelei.
Auf Anregung des Leester Gemeindevorstehers wird ein Komitee zur Errichtung einer Ziegelei gebildet. Es soll ein Gutachten über die Tonqualität und die Rentabilität erstellt werden.
Zur Errichtung und Betrieb einer Ziegelei wird eine GmbH. gegründet. Gesellschafter der "Leester Ziegelei GmbH." sind:
später hinzugekommen: August Wehrmann, Leeste 189 (heute: Am Weidufer 19). Er wohnt an der neugebauten Ziegelei. August Wehrmann ist ein Cousin von Heinrich Wehrmann, dem die Ziegelei an der
Rieder Str. gehört.
Außer Struthoff (10000), Hellmers (6000) und Wehrmann (6000) zeichnen alle 3000 Mark als Einlage.
Als Geschäftsführer sind Johann Heinrich Harms und Johann Heinrich Dunkhase eingesetzt. Harms besitzt einen großen Hof im Ort "An der Weide 1", und Dunkhase ist Kaufmann mit einem Geschäft an der Hauptstraße (heute Leester Straße).
Der Gastwirt und Färber Hake wohnte vorher in Leeste (Leeste 41, heute Gieseke & Bösche)
1897 erfolgt die Ausschreibung: Es waren zu erstellen:
Ausführende Firmen waren Maurermeister Diedrich Dierks (Leeste Nr.56), Zimmermeister Heinr. Niemeyer (Hörden Nr. 17) und der Schmied Otto Riepling (Leeste 179, ab 1904 Friedrich
Kuhmlehn).
Das Ziegeleigebäude wird auf den Flurstücken 244 - 246 eingemessen (Flur 5). In der Mitte wird der Ringofen erstellt.
In diesem Jahr erfolgt der Baubeginn der Ziegelei.
Der Bau der Ziegelei ist am 1.1. beendet. Schon am 3. Februar deckt ein starker Sturm die Ziegel der Trockenhütten wieder ab. Sie werden umgehend repariert.
Im Jahr 1898 sind 16 Arbeiter beschäftigt.
August Wehrmann, der Cousin des Ziegeleibesitzers Wehrmann in Sudweyhe führt bis 1914 die Ziegelei. Es wird eine Wohnung für den Ziegeleimeister gebaut. 218
August Wehrmann mit Frau Luise geb. Uhlenbrock um 1900 219
Esind 20 Arbeiter beschäftigt, die 3572 Arbeitstage ableisten und 13169 Mark verdienen. Zusätzlich leisten 2 männliche jugendliche Arbeiter 308 Arbeitstage zu einem Tageslohn von 2,28 Mark. 1,15 Millionen Ziegelsteine und 65000 Pfannen werden hergestellt. 221
Der Lehm/Ton wird an der Ochtum auf Loren verladen. Diese werden mit Pferden zur Ziegelei gebracht. Die Ziegel werden per Hand aus dem Lehm der Ochtumwiesen geformt.
Es existieren noch Unterlagen über eingeholte Angebote für die Bahn-Schienen aus dem Jahr 1898. 222
Der Besitzer der Leester Wassermühle, H.Meyer, wird Geschäftsführer anstelle von J.H.Dunkhase. 223
In der Leester Ziegelei brennt es am 4. Dezember. Hier hatten sich Bretter und Balken im Brandhaus, wegen der ausströmenden Hitze entzündet. Durch die rasche Hilfe der gesamten Nachbarschaft braucht die Leester Feuerwehr aber nicht mehr eingreifen. Der Brand führt zum Nachdenken darüber, ob nicht eine FeuerVersicherung beantragt werden soll. 224
Halbmeier Albert Frese aus Hörden wird Geschäfts-führer anstelle von Johann Heinrich Harms.
Die Keramische Rundschau von 1901 225 berichtet:
Leester Ziegelei G.m.b.H. An Stelle des Halbmeiers Johann Heinrich Harms in Leeste ist der Halbmeier Albert Frese in Hörden als Geschäftsführer getreten.
Maurermeister Diedrich Dierks um 1900. Seine Firma baute die Ziegelei. Er war von 1908 bis 1911 auch zweiter Geschäftsführer der Ziegelei.
Ziegelmeister August Wehrmann wird zu 10 Mark Geldstrafe verurteilt, weil er den jugendlichen Arbeiter Rettig sonnabends länger als 10 Stunden hat arbeiten lassen. 226
Nach den Unterlagen über die registrierten Ziegler muss es sich dabei um August Rettig gehandelt haben, der am 22.Juli 1887 geboren wurde und am Beginn der Saison im Jahr 1903 noch keine 16 Jahre alt war. Er hatte aber auch schon mit 14 Jahren im Jahr 1901 auf der Ziegelei gearbeitet (vgl. die Arbeiter-Listen im Kapitel über die Lippischen Ziegler).
1907 sind 12 Arbeiter beschäftigt. 227 Eine Aufnahme aus dem Nachlass Luise Dinse zeigt die Ziegelei um 1900 (noch vor dem Bau des Dampf-Kesselhauses). Vor der Ziegelei sind zwei Loren zu erkennen, eine mit vorgespanntem Pferd. 2 Männer halten das Pferd. Die Aufnahme erfolgte von Osten her.
1908 sind es 20. Die Ziegeleigenossenschaft kündigt an, das Stammkapital um die Hälfte zu erhöhen, um eine „Maschinenanlage“ zu errichten. 227
Die Ziegelei wird erweitert um ein Dampf-Kesselhaus (Maschinenanlage). Der errichtete Schornstein hat eine Höhe von 25 m. Dazu wird das Stammkapital um die Hälfte erhöht. Mit der Dampfmaschine wurde es möglich, die Steine mit Dampfkraft zu pressen und Maschinen einzusetzen. Vorher musste alles mit der Hand geschehen.
Der Halbmeier Albert Frese wird als Geschäftsführer abgelöst vom Gutsbesitzer Albert Dunkhase. 229
Dunkhase hat den Hof an der Alten Poststraße. Er wird als Gutsbesitzer bezeichnet, weil er das Leester Gut am Junkernhof gekauft hatte und damit den Titel eines Landschaftsmitgliedes mit erworben
hatte.
1909 Im Jahr 1909 sind 23 Arbeiter beschäftigt. Aus diesem Jahr existiert auch ein Foto, das Arbeiter bei der Abfahrt von Lehm nahe der Ochtum in der Leester Marsch zeigt. Der Lehm wird über eine
von Pferden gezogenen Lorenbahn zur Ziegelei am Rand der Marsch gebracht.
[Foto ca. 1909: Archiv Gemeinde Weyhe]
Goldbeck | 91x |
Nalhof | 23x |
Bösingfeld | 22x |
Neukirchen | 20x |
Asmissen | 12x |
Almena | 11x |
Lindenbruch | 10x |
Meyerberg | 7x |
Egge | 6x |
Lasbruch | 5x |
Völksen | 5x |
Kötner Heinrich Meyer aus Hörden wird 2. Geschäftsführer der Ziegelei (anstelle von Maurermeister Diedrich Dierks).230 Dierks war ab 1908 zweiter Geschäftsführer.
Landwirt Karl Dunkhase (Leeste 88) wird 1912 Geschäftsführer anstelle von Gutsbesitzer Albert Dunkhase.
Die Familie des Meisters August Wehrmann mit der Belegschaft der Leester Ziegelei um 1912. Links das Haus des Meisters. Der kleinere Schornstein rechts gehört zur Dampfmaschine.]
Mit dem Beginn des 1. Weltkrieges hört die Produktion der Ziegelei auf. Alwine Wehrmann, die Tochter des Betriebsführers Au-gust Wehrmann, fährt als Ehren-gast mit auf der letzten Lore
Lehm, die aus der Marsch geholt wird.
Die letzte Schicht von auswärtigen Zieglern beschließt die Produk-tionsphase der Leester Ziegelei.
Insgesamt waren von 1898 bis 1914 bei der Ziegelei beschäftigt: 231
Jahr | Ziegler | Jahr | Ziegler |
1898 | 16 | 1907 | 12 |
1899 | 9 | 1908 | 20 |
1900 | 2 | 1909 | 23 |
1901 | 10 | 1910 | 12 |
1902 | 18 | 1911 | 20 |
1903 | 12 | 1912 | 21 |
1904 | 13 | 1913 | 21 |
1905 | 12 | 1914 | 22 |
1906 | 13 | 1915 | 1 |
Als Geburtsorte der Ziegler aus dem Lippischen werden genannt:
Halbmeier Albert Frese wird 1916 wieder Geschäftsführer anstelle von Meyer.
Eine Postkarte von 1916 zeigt noch das Wohnhaus des Ziegeleimeisters und einen Trockenschuppen. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges kommt die Ziegeleiarbeit fast vollständig zum Erliegen. Es werden keine Arbeiter mehr angestellt. 1914 waren noch 22 Arbeiter beschäftigt, 1915 nur noch einer und 1916 gar keiner mehr.
Malermeister Dietrich Hüneke (Leeste 177) wird Geschäftsführer anstelle von Karl Dunkhase.
Das Wohnhaus des Ziegeleimeis-ters um 1918
Nach dem 1. Weltkrieg wird die Produktion nicht wieder aufgenommen.
Nach dem 1. Weltkrieg wird die Produktion nicht wieder aufgenommen.
Schon 1920 berichtet die Brinkumer Zeitung, dass die Leester Genossenschaftsziegelei aufgelöst sei.
1920 sind nur noch 2 Gebäude auf dem Gelände der Ziegelei vorhanden: Das Wohnhaus des Ziegeleimeisters und das der Ziegeleiarbeiter.
Das Arbeiter-Wohnhaus um 1920
Die Genossenschaft wird formal durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 17.9.1923 aufgelöst, und dieses wird am 3.3.1925 beim Amtsgericht Syke eingetragen. Hüneke und Frese sind zum Liquidator bestellt. Das Gesellschaftsvermögen wird verteilt und die Gesellschaft erlischt.
Kauf der Ziegeleigebäude durch Heinrich Wetjen, dem Besitzer des Landes, auf dem die Gebäude stehen.
Heinrich Wetjen mit seinem Fuhrwerk
Nach dem Tod von Heinrich Wetjen werden die Ländereien an seine beiden Söhne aufgeteilt. Heinrich Wetjen jun. (* 1887) erhält die "Alte Ziegelei" mit der Hausnummer 189.
Das Haus des Ziegeleimeisters brennt 1945 durch Kriegseinwirkung ab, so dass nur noch das Arbeiterwohnhaus übrig bleibt. Die Familie Wehrmann war in ihr Haus am Weidufer gezogen. Im Arbeiterwohnhaus wohnte ab 1939 Heinrich jun. Wetjen-Arbs, dem das Gelände gehörte, in der unteren Etage. Er benötigte die Ländereien und Scheune selbst, so dass Wilhelm Wohlers nur noch eine Hälfte des Hauses blieb. Sein Bruder Johann Wohlers hatte nach 1920 dort einen Viehhandel eingerichtet und hatte zu der Zeit zusammen mit seinem Bruder im Haus gewohnt.
Elfriede Wetjen, die Tochter des Heinrich Wetjen jun., hatte die Stelle 189 von ihrem Vater geerbt. Sie heiratet Manfred Riehn. Beide verkaufen das ehemalige Ziegeleigelände 1964 als Bauplätze.
Auch Riehns bauen ein neues Haus in der entstehenden Siedlung.
17 Grundstücke werden bebaut und eine neue Straße angelegt "Im Wiesengrund".
Das Foto zeigt den Kellerbau für das Haus der Familie Bolik. Im Hintergrund ist das ArbeiterHaus der ehemaligen Ziegelei zu sehen, neben dem schon fast fertigen Haus der Familie Riehn.
Abriss des Wohnhauses für die Ziegeleiarbeiter. Die im Giebel eingesetzte Platte mit der Inschrift "Leester Ziegelei" wird zunächst von der Familie Riehn gerettet, geht aber später bei den Bauarbeiten der Siedlung verloren.
1991 hat sich neben der Siedlung weitere Bebauung am Weidufer ausgebreitet.
Die Siedlung 1991 aus der Luft. In der Bildmitte verläuft quer die Straße "Am Weidufer". Oben ist das Gewerbegebiet am Bahnhof zu erkennen sowie das „Kastens-Moor“.
Karl Hahn, Stefan Ratjen und Heiner Riehn bringen ein Buch im Eigenverlag über die Geschichte der Ziegelei und der Siedlung "Im Wiesengrund" heraus ("'De oole Tegelee")