Das Fuhrmannwesen

Geschichtsgruppe K. Hahn/W. Polley/P. Athmann

 

 
Als die Waren noch "per Achse" befördert wurden, bildeten die Frachtfuhrleute eine große Gilde mit eigenen Sitten, Gebräuchen, Liedern und Trachten.


In einigen Gegenden Deutschlands hatten sich ganze Dörfer dem Frachtfuhrwesen verschrieben. Eine von diesen 6 bis 7 Fuhrmannszentralen und wohl die bedeutendste war Leeste-Brinkum. Die günstige Lage an den beiden verkehrsreichen Handelsstraßen nach dem Westen und Süden sowie die Nähe von Bremen als Seehafen für aus- und eingehende Kaufmannsgüter hatte es mit sich gebracht, dass in diesen beiden Dörfern das Frachtfuhrwesen als bäuerliches Neben-, vereinzelt wohl auch als Hauptgewerbe herangebildet wurde.

 

Nach den Feststellungen von Cord-Hilmer Hüchting 1, der sich wohl auf die Handelsstatistik von Friedrich Rauers 2 stützt, gab es um 1830 in Leeste, Brinkum sowie benachbarten Ortschaften und der Stadt Bremen insgesamt mindestens 250 Fuhrleute, von denen Leeste mit 178 Namen die weitaus größte Anzahl stellte. An anderer Stelle 3 spricht Rauers von 200 Leester Fuhrleuten mit 300 Wagen. Es tauchen im Zeitraum 1825 - 1856 als Fuhrleute in Petitionen oder im Hänselbuch im "Engel" in Nürnberg auf: 178 aus Leeste, 9 aus Erichshof, 17 aus Brinkum, 1 aus Sudweyhe. 1825 spricht der Besteder Schaer von 300 Wagen für die Leester. 4 

 

Im Allgemeinen unterhält ein Hof ein Frachtfuhrwesen, vereinzelt haben sich einige Bauern zu einem gemeinsamen Fuhrunternehmen zusammen getan. Es gibt aber auch Höfe mit mehreren Gespannen. Claus Schulte in Leeste soll in der Blütezeit 28 Pferde, eine eigene Schmiede sowie eine Stellmacherei besessen haben.


Die Fuhrleute im Allgemeinen werden mit den Leestern (plattdeutsch:  'Leistern') gleichgesetzt. In Langendamm bei Nienburg wird eine Gaststätte 'Zur Leister Kuhle' nach ihnen benannt.


In Nürnberg ist damals die "Linie" der großen Frachtfuhrmannschaft. Nur wer da "gehänselt" wird, was geschieht, wenn er zum ersten Male dahin kommt, ist ein "rechter Fuhrmann". Das Hänseln besteht darin, 3 mal in die Roßschwemme zu tauchen. Dieses "Vergnügen" müssen alle zum ersten Mal ankommenden Fuhrleute in einem Ort (Nürnberg, Frankfurt) erleiden.5
Durch die Konzentrierung der Fuhrmannschaft auf wenige Orte ist auch die Ausbildung des Nachwuchses dort angesiedelt: 

"Bremen an der Weser hat seinen Hafen, Bremerhafen, in dem fast alle seine seewärts eingehenden mit Waren beladenen Schiffe einlaufen. Außerdem hat es noch den kleinen Hafenort Vegesack, [...] Dieser Ort hat zugleich eine Schiffswerft, auf der die Hälfte der Ortseinwohner für Bremen Schiffe baut. Noch näher bei der Stadt liegt ein kleiner Ort Namens Leeste, in welchem fast die Hälfte der dem Handel der Stadt nöthigen Lastwagen gearbeitet, die Karrengäule aufgezogen und die Fuhrleute gebildet werden. Leeste ist also die Fuhrleuteschule für den Bremischen Handel, so wie Vegesack sein Schiffsbaumeister." 6


In Leeste wohnen also nicht nur die Frachtfahrer, sondern sie bauen auch die Fuhrwerke (als Stellmacher) und bilden den Nachwuchs aus.