Seifenherstellung

Paul Athmann
 
In Dreye an der Weser besteht ab 1826 eine Seifenfabrik als Ableger der Bremer Seifenfabrik Sengstack.
Andreas Schulz beschreibt 2002 den Bremer Kaufmann Heinrich Sengstack: 
„Heinrich Sengstack, der 1769 eine auf dem Teerhof gelegene Seifenfabrik von einer Seifensiederwitwe übernahm, erhielt ‚gegen Erlegung einer Recognition von 200 Reichsthalern in Zweidrittelstücken‘ ohne Umstände ‚das zur Haltung einer Seiffenfabrique erforderliche Privilegium‘ zugesprochen“ 1


Albert Jochen Evers hatte 1749 die Seifenfabrik auf dem Bremer Teerhof errichtet. Als er gestorben war und sich keine Erben fanden, die den Betrieb weiterführen wollten, kaufte Heinrich Sengstack sie der Witwe Evers ab. Er erhielt den Zuschlag, weil er das höchste Gebot abgegeben hatte. 2


Friedrich Prüser  hat 1949 die Geschichte der Seifenfabrik Sengstack und Söhne aufgeschrieben und einige Daten der Familie mitgeteilt: 
„Heinrich Sengstack (1733-1809), in Bremen geboren, 1769 Gründung einer Seifenfabrik in der Neustadt, 1782 in das Collegium Seniorum gewählt, hinterließ die Firma seinem Sohn Georg Friedrich Sengstack (+1855), der das Unternehmen durch die Handelskrise der Jahre 1806 bis 1815 führte und in den 1830er Jahren zu einer Großfabrik ausbaute, der neben der Seifenherstellung auch eine Tran- und Ölraffinerie angegliedert wurde.“ 3 


Seife wurde zunächst aus Tran gewonnen, der zumeist aus Neuengland importiert  oder von den Grönlandfahrern nach Bremen gebracht wurde. Zur Seifen-Herstellung wurden Fette mit einer Lauge (wie Natronlauge oder Kalilauge, früher auch Pottasche oder Soda) gekocht. Man nennt dieses Verfahren Seifensieden, die chemische Reaktion Verseifung. Die Fette werden dabei in Glycerin und in die Alkalisalze der Fettsäuren (die eigentlichen Seifen) zerlegt. Die Herstellung erfolgte früher in offenen Kesseln. 4

 

Innenansicht einer Seifenfabrik  6
Innenansicht einer Seifenfabrik 6

Im Mai 1826 beantragt Georg Friedrich Sengstack die Anlegung einer Seifenfabrik („weiße Seife“) in Dreye. Das Amt Syke misst diesem Vorhaben „große Bedeutung“ bei.5 Dem Antrag wird eine Bescheinigung des Bremischen Senats über die Besitz- und Wohnverhältnisse des G.F.Sengstack beigelegt. Im August werden Stellungnahmen des Amtes Hoya (wegen der Seifenfabrik in Hoya) und des Amtes Ehrenburg (wegen der Seifenfabrik Meyer in Twistringen) eingeholt. Auch nehmen die Seifenfabrikanten Schmidt und Bornemann aus Verden sowie David Hertzel aus Hoya ebenfalls Stellung zu dem Gesuch - mit der Empfehlung, es abzulehnen. 

Innenansicht einer Seifenfabrik 6


Am 5.9.1826 schreibt G.F.Sengstack direkt an die Landdrostei in Hannover. Im Oktober kündigt er der Landdrostei an, er werde auf die „bestehende Fabrikation von grüner Seife in Hoya, Twistringen und Stolzenau  Rücksicht nehmen“. Im Oktober erhält er daher auch die Konzession zur Herstellung von grüner Seife und bedankt sich dafür in einem Schreiben an die Landdrostei.7


Als die Firma bereits fast 30 Jahre besteht, stirbt 1855 der Kaufmann und Fabrikbesitzer Georg Friedrich Sengstack (* 14.4.1779).  Die Gebrüder Heinrich Carl (*31.8.1803 in Bremen) und August Friedrich Sengstack (*24.10.1819 in Bremen)   betreiben dann die Fabrik.8 Die Firma G. Fd. Sengstack importiert vor allem Tran und später Palmöl als Rohstoff für die Seifenherstellung. Neben Seife werden auch Lichter (Talglichter) fabriziert.


Nach dem Tod des Vaters beantragen die beiden Brüder auch 1856 die Übertragung der Konzession für die Dreyer Fabrik vom Vater. Dazu legen sie eine Bescheinigung („Militair-Freischein“) vor, dass sie in Hannover keinen Militärdienst leisten müssen, auch wenn sie dort wohnen. Die Übertragung wird gewährt mit dem Hinweis, dass sie Wohnrecht in Dreye haben, aber die „Unterthanenschaft“ in Bremen verbleibe. In dem Schreiben wird auch auf die Konzession von 1826 (weiße Seife) verwiesen und bekräftigt, dass am 26.10.1826 die Konzession auf grüne Seife ausgedehnt worden sei. 9


1856 hatten die Sengstacks auf die veränderte Lage nach Gründung des Zollvereins (1854) reagiert und eine zusätzliche Seifenfabrik in Hemelingen gegründet, wo keine Zölle für die Ausfuhr ins Königreich Hannover bzw. Preußen fällig wurden. Nach (Prüser, 1949) wird dieser Betrieb 1860 nach Dreye verlegt, an die Stelle, wo ca. 10 Jahre später die Eisenbahn die Weser überqueren wird. Hier hatte man die Möglichkeit, Rohwaren auf dem Wasserwege aus Bremen zu liefern und die Fertigwaren auf dem gleichen Wege die Weser hinauf zu verschiffen. Aber auch die Landverbindung zur Stadt Bremen und in das Königreich Hannover war hier gegeben.10


Da nach den Unterlagen im Staatsarchiv Hannover die Dreyer Fabrik schon seit 1826 bestand, kann es sich hier wohl nur um eine Zusammenlegung der Hemelinger Produktion mit der Dreyer Fabrik handeln. Die Dreyer Fabrik dient danach dem Absatz der Seifenproduktion im hannoverschen, später preußischen Zollgebiet, während die Fabrikation in Bremen weiterhin verbleibt für das bremische Gebiet und für die Ausfuhr nach Übersee.


Franz v. Reden nennt 1836 in seinem Buch über das Königreich Hannover Dreye als einen Ort, in dem eine der 23 größten Seifenfabriken des Königreichs steht.11


Im Adressbuch von Bremen aus dem Jahre 1860 ist verzeichnet 12::
„Sengstack, G. Fd. Söhne, Kaufleute, Seifenfabrik,  Oel- und Thranraffinerie, Am Brill 12 Seifenfabrik auch in Dreye. Inhaber: Heinrich Carl Sengstack und Aug. Friedr. Sengstack“
 
Nach einem Abkommen Bremens mit dem  Zollverein verbessert sich die Zoll-Situation für Bremen, und 1873 wird die Dreyer Fabrik wieder aufgegeben. Die gesamte Seifenherstellung wird zu diesem Zeitpunkt in Bremen an der Großen Allee zusammengezogen.13


Der Anschluss Bremens an die Zollunion im Jahre 1888 bestätigt die Richtigkeit der Zusammenlegung der Seifenherstellung. Für Dreye erfüllen sich die Hoffnungen auf eine langfristige Beschäftigungs-möglichkeit allerdings nicht: Nach 47 Jahren schließt die Seifenfabrik in Dreye wieder ihre Pforten. 


Leider existieren keine Aufzeichnungen über die Arbeiter der Dreyer Fabrik oder die wirtschaftliche Bedeutung für das Gebiet der heutigen Gemeinde Weyhe. Sicherlich werden einige der Arbeiter aus Bremen oder Hemelingen gekommen sein, da sie das Verfahren der Seifenherstellung eher beherrschten als die arbeitslosen Tagelöhner in Dreye, Erichshof oder Leeste. Andererseits fällt die Zeit der Fabrik in Dreye zusammen mit dem Rückgang der Frachtfuhrwerke (aufgrund der aufkommenden Eisenbahn) sowie des Schiffszugs an der Weser (aufgrund der Dampfschifffahrt). Für Hilfsarbeiten sowie für die notwendigen Frachtfahrten werden einheimische Tagelöhner und Fuhrwerke eingesetzt worden sein.


August Friedrich Sengstack ist ab dem 1.1.1873 der alleinige Inhaber der Bremer Firma Senckstack & Söhne Nachf. Sein Bruder Heinrich Carl zieht sich zu diesem Zeitpunkt aus der Firma zurück und wohnt als Privatmann in der Rutenstraße Nr. 16 in Bremen.14
Die Firma stellt nun nur noch Seifen- und Parfümerieprodukte her. Die Fabrikation von Stearin und  Lichten wird aufgegeben. Außerdem wird noch Öl raffiniert, nachdem das Palmöl in weiten Teilen den Tran verdrängt hat.
Im Archiv der Stadt Syke existiert noch eine Rechnung der Firma aus dem Jahr 1926 für Heinrich Warneke aus Heiligenfelde. 

 

Rechnung der Fa. G. Fd. Sengstack Söhne Nachf.  15
Rechnung der Fa. G. Fd. Sengstack Söhne Nachf. 15

1 Andreas Schulz: Vormundschaft und Protektion: Eliten und Bürger in Bremen 1750-1880; 2002, S.104

2 (Prüser, 1949) S.54

3 (Prüser, 1949) S. 56

4 http://de.wikipedia.org/wiki/Seife (2015)

5 HStAH Hann. 80 Hann. Nr. 12539: Anlegung einer Seifenfabrik in Dreye von G.F. Sengstack aus Bremen und Betreibung der Seifenfabrikation durch die Gebrüder Sengstack.; 1826-1856; Darin: Bericht des Amtes Syke an Landdrostei wegen Anlegung einer Seifenfabrik in Dreye v. 2.5.1826

6 (Prüser, 1949) S.17

7 HStAH Hann. 80 Hann. Nr. 12539: Anlegung einer Seifenfabrik in Dreye von G.F. Sengstack aus Bremen und Betreibung  der Sei-fenfabrikation durch die Gebrüder Sengstack.; 1826-1856; Darin: Berichte des Amtes Ehrenburg und Hoya und Stellungnahmen der Fabrikanten Schmidt und Bornemann zu Verden sowie David Hertzel zu Hoya. August 1826. sowie: Schreiben G.F.Sengstack an Landdrostei Hannover Sept-Okt. 1826

8 HStAH Hann. 80 Hann. Nr. 12539: Anlegung einer Seifenfabrik in Dreye von G.F. Sengstack aus Bremen und Betreibung der Seifenfabrikation durch die Gebrüder Sengstack.; 1826-1856

9 HStAH Hann. 80 Hann. Nr. 12539: Anlegung einer Seifenfabrik in Dreye von G.F. Sengstack aus Bremen und Betreibung der Seifenfabrikation durch die Gebrüder Sengstack.; 1826-1856; Darin: „Militair-Freischein“ für Heinrich Carl Sengstack und August Friedrich Julius Sengstack  sowie Schreiben an Landdrostei v. 19.2.1856 (mit Verweis auf Konzession v. 1826)

10 (Prüser, 1949) S. 74

11 (Reden, Das Königreich Hannover statistisch beschrieben, Bd. 1, 1836) S. 447

12 Adressbuch der Freien Hansestadt Bremen und der Hafenstädte Bremerhaven und Vegesack 1860

13 (Prüser, 1949) S. 75

14 (Prüser, 1949) S. 77

15 Archiv Syke