Mühle Mühlenbruch/Landwehr in Leeste, Alte Poststraße

Paul Athmann
 
Alte Poststraße, Leeste. Heute Standort der Polizeistation Weyhe.


Der Müller Heinrich Mühlenbruch hatte früher die Leester Windmühle gepachtet. 1905 erwarb er ein Grundstück mitten im Ort Leeste an der Alten Poststraße, wo er eine große Dampfmühle errichtete. Um 1910 betrieb er auch ein Elektrizitätswerk in der Mühle.


1914 ging die Mühle in den Konkurs. Heinrichs Bruder Diedrich Mühlenbruch übernahm die Mühle bis 1919, als sie wegen Verstößen gegen die Mahlordnung geschlossen wurde.


Um 1925 übernahm zunächst Diedrich Landwehr und dann sein Sohn Heinrich I die Mühle. Dessen Sohn, Heinrich II (*1938) baute 1969 eine neue Mühle am Bahnhof. 1998 wurde die alte abgerissen. 

 

 

Die Geschichte der Mühle im Einzelnen:

1905 lässt Heinrich Mühlenbruch in Leeste „auf dem Hausplatz Nr. 40 von L. Evers“ ein Wohnhaus und eine Mühle mit Gasmotor-betrieb errichten.1 Von 1905 bis 1907 wird die Mühle als "Dampf-kornmühle" durch Heinrich Müh-lenbruch betrieben.

1906 wehrt sich der Mühlenbesitzer Heinrich Mühlenbruch gegen ein Gerücht, dass er nicht korrekt abrechne. Der 17jährige Dienstknecht Nienaber soll das Gerücht gestreut haben.3 Vermutlich ist er bei Mühlenbruch angestellt. Im März 1907 sucht Mühlenbruch einen Gesellen für die „Dampfkornmühle“ 4 - als Ersatz für den Dienstknecht?


Auch ein tragischer Unfall 5 ereignet sich im Jahre 1912:

 

Stromerzeugung

 

Auch in der Elektrizitätsversorgung Leestes spielt  die Mühle Mühlenbruch eine bedeutende Rolle. Sie betreibt 1906 mit ihrem 35 PS Sauggasmotor und einer „Licht-Maschine“ ein kleines Stromnetz in Leeste. Im Februar 1911 bietet der Mühlenbesitzer Mühlenbruch in Leeste an, eine Leitung nach Erichshof zu legen. 200 Abnehmer zeigen Interesse.6 1913 vergrößert Mühlenbruch seine Anlage, um den gesamten Bedarf von Landwirtschaft und Gewerbe in Leeste decken zu können.7

Der Plan 8 von 1906 zeigt die Mühle neben den vorhandenen  „Lichtleitungen“ und den angeschlossenen Häusern Schierenbeck & Schmidt, Strotthoff und Dunkhase auch die Lage der „Lichtcentrale“ sowie der „Projektierten Leitungen“ entlang der Alten Poststr, der Leester Str. und der Hauptstraße. Auch geht aus dem Plan die Aufteilung des Mühlengebäudes mit dem Anbau für den 35PS - Sauggasmotor hervor.


Das 1918 gegründete Überlandwerk Syke übernimmt dann die Stromversorgung für immer mehr Betriebe und Haushalte. Zahlreiche Strom-Genossenschaften werden gegründet und treten als Abnehmer für den Strom der Überlandwerke auf. Neue Umspannwerke werden gebaut.


1919 wird in Leeste ein Arbeitsausschuss gebildet, der die Übernahme der Leitungsnetze der Elektrizitätswerke vorbereiten soll.


Der Strombezug erfolgt dann von Werken in Sebaldsbrück und Dörverden (Wasserkraftwerk) sowie von der Überlandzentrale Hoya / Süstedt-Wachendorf. Es wird eine 15 kV Leitung von Wachendorf über Gödestorf, Osterholz, Okel, Sudweyhe, Dreye, Kirchweyhe, Leeste, Erichshof nach Seckenhausen gebaut.


Daraufhin erheben sich Proteste der Mühlenbesitzer. Ihr Sprecher ist Mühlenbruch aus Leeste. Es wird eine Elektrizitätskommission gegründet. Die Proteste bleiben aber erfolglos. 

 

Konkurs

 

Ende 1913 geht die Mühle in Konkurs. Die Syker Zeitung vermutet „auswärtige Börsenspekulationen“ als Ursache.  Als Geschädigte werden Bremer Kornhändler ausgemacht. Das ist ein Hinweis, dass Mühlenbruch sein Korn hauptsächlich aus den Bremer Häfen bezog. Auch ist von den „kleinen Schweinemästereien“ die Rede. Damit ist Mühlenbruchs Kundenstamm umrissen: In Leeste und Brinkum blühte zu dieser Zeit die Schweinemast.

Heinrich Mühlenbruch wandert aus und wird im Mai 1914 in Amerika verhaftet 10. Er landet in Bremen im Untersuchungsgefängnis. 

 

Am 22.12.1913 wird das Konkursverfahren eröffnet.11 Am 1. Februar 1914 vermeldet die Zeitung, dass Mühlenbruch kurzzeitig verhaftet wurde und ihm 2400 Mark abgenommen wurden. 12 Danach sei er aber wieder geflüchtet. 

Am 29.Juni 1914 ist sämtliche „bewegliche Masse“ verkauft.
Weitere Prozesse laufen noch.

Das Inventar der Mühle wird im März  1914 versteigert.13  1917 wird das Verfahren geschlossen.14

Schon 1914 übernimmt der bis dato Müller der Sudweyher Wassermühle, Diedrich Mühlenbruch, den Betrieb. Er kauft die Mühle samt Wohnhaus15 und bringt die Gesellen Georg Feldhaus (gebürtig aus Balge) und Wilhelm Wendt (aus Thedinghausen) von der Sudweyher Mühle mit. Die Leester Mühle an der Alten Poststraße hat zu dieser Zeit einen Gasmotor.


Diedrich Mühlenbruch (* 1870) hatte von 1897 bis 1914 erfolgreich die Sudweyher Wassermühle gepachtet. Er stammte aus Wietzen bei Nienburg und hatte sein Handwerk in der Wassermühle Barrien gelernt. 16 Diedrich Mühlenbruch ist 1914 Mühlenbesitzer in Leeste. Er ist ein Bruder des verhafteten Heinrich Mühlenbruch.

 


Diedrich Mühlenbruch mit Ehefrau Meta und Tochter Mariechen 1913 vor der Sudweyher Mühle. 17
 

Johann Mühlenbruch (*1899), Dietrich Mühlenbruch (*1907) und Georg Mühlenbruch (* 1909) waren die Söhne des Diedrich und seiner Frau Meta. 18

 

Im Mai 1919 wird der Mühlenbetrieb in Leeste geschlossen - wegen Verstößen gegen die Mahlordnung.19 Es wird zwar nicht berichtet, aber man kann vermuten, dass es nach dem 1. Weltkrieg um die nicht ordnungsgemäße Verteilung von Backmehl und Brotgetreide ging – wie bei anderen Mühlen auch. Ein Litauer, der bei der Mühle beschäftigt war, stellt im August desselben Jahres einen Antrag auf Einbürgerung beim Gemeinderat in Leeste, der zustimmt. 20

Ob die Schließung wieder aufgehoben wurde, ist nicht überliefert. Zumindest wird Diedrich Mühlenbruch noch 1922 als Mühlenbesitzer tituliert, als er die Jagd in Erichshof pachtet.21


Im August 1922 werden die lieferungspflichtigen Landwirte der Gemeinde Leeste aufgefordert, etwas Brotgetreide an die Mühle von Mühlenbruch zu liefern.22


1922 verlässt Diedrich Mühlenbruch Leeste und geht mit seinem Gesellen Wilhelm Wendt nach Hasbergen.23

 

Johann Mühlenbruch aus Leeste wird 1922 ebenfalls Müller.24 Er ist ein Sohn des Diedrich Mühlenbruch (s.o.). Aber auch er verlässt Leeste und wandert aus nach Argentinien: Laut einem Eintrag in den Bremer Passagierlisten reist Johann Mühlenbruch am 17 April 1926 auf dem Schiff 'Sierra Morena' von Bremen nach Buenos Aires, Argentinien.25

1926 ist auch das Jahr, in dem Diedrich Landwehr die Mühle übernimmt. Er betreibt schon eine Dampfmühle in Leeste (ehemalige Mühle von Heinrich Dunkhase) und will sich die unliebsame Konkurrenz vom Halse schaffen oder doch zumindest in den Händen seines Sohnes wissen. Er kauft vermutlich die Mühle von Mühlenbruch und übergibt sie an seinen Sohn Heinrich, der 1921 erfolgreich seine Prüfung zum Müllermeister abgelegt hatte.


Die ersten Futtertypen der Landwehr-Mühle bestehen aus Getreide und Fischmehl. Die Mühlensteine sind aus Kunst- oder Natursteinen hergestellt. Sie müssen in regelmäßigen Abständen geschärft werden, womit ein erfahrener Mühlenmitarbeiter 4-6 Tage beschäftigt ist.26

1933 baut Landwehr auf dem Leester Feld an der Melchiorshauser Straße zwei große Schweineställe für jeweils 250 Schweine.27 Damit kann er seine Futtermischungen an seinen eigenen Schweinen ausprobieren. 

 

Ein Foto von 1930 zeigt die Mühle hinter der Bäckerei Speer.28 Die Siloanlage ragt hinter dem Mühlengebäude und der Bäckerei  hervor. Vorne der Henry-WetjenPlatz mit dem Kaufhaus der Gebr. Schmidt.

1935 hält ein Luftbild 29 die jetzt Landwehr‘sche Mühle an der Alten Poststraße fest. Man kann im Foto die hohen Siloanlagen erkennen sowie das Mühlengebäude links davon. Auch ein Transformator zeugt davon, dass hier mal das „Elektrizitätswerk“ von Leeste existierte. 1935 bezieht die Mühle aber selbst den Strom von den Überlandwerken, so dass die Mühle über einen Elektromotor angetrieben werden kann.

1937 wird ein neuer Silo gebaut mit einer Kapazität von ca. 500 Tonnen. Im 2.Weltkrieg wird dieses Gebäude wegen seiner Höhe als Gefechtsstand eingerichtet. Auch werden dort Vorräte gelagert. 1945 erhält das Gebäude einen Volltreffer und wird stark beschädigt, was sofort nach Kriegsende aber wieder repariert wird. 30

1948 wird ein Zugfahrzeug der Marke Miag mit zwei Anhängern (Nutzlast 2,5 to) angeschafft. Auf dem Foto sind auch Elisabeth und Heinrich Landwehr festgehalten.31


In den 1950er Jahren wird hauptsächlich Weizenmehl und Roggenschrot gemahlen. Landwehr beliefert die Bäckereien Kirchweyhe (Grimpo), Leeste (Lüllmann) und Lahausen. Auch große Brotfabriken in Habenhausen und Thedinghausen werden mit Backmehl versorgt.32


1952 wird ein erster Pritschen-LKW von Borgward (Nutzlast 2,5 to) angeschafft. Der Fahrer ist Dirk Dopmann. 
Heinrich Landwehr jun. beginnt 1953 eine Müllerlehre im väterlichen Betrieb. 1959 legt er seine Meisterprüfung ab. 33


1960 erfolgt die Inbetriebnahme der ersten Hammermühle mit einer Leistung von 30 PS. 34
1961 wird ein neues Maschinenhaus gebaut.35  Die Kapazität der Siloanlage wird auf 1000 Tonnen erhöht. 36
1962 heiratet Heinrich Landwehr jun. seine Frau Gerda. 37
1965 wird ein Tankwagen der Marke Mercedes mit einem Cobolt-Aufbau gekauft (Nutzlast von 2 x 2,5 to). 38

 

1961; Erweiterung der Siloanlage mit neuem Maschinenhaus
 

1968 meldet der Allgemeine Anzeiger Brinkum einen Brand in der Mühle H. Landwehr an der Poststraße. Der Brandschaden beträgt 550000 DM.39 Der erst 1961 gebaute Silo wird total zerstört.

„In den frühen Morgenstunden des 11.August 1968 wurden die Leester Wehrmänner durch die Sirenen zu einem Großbrand gerufen. Der Großsilo der Mühle Heinrich Landwehr stand in Flammen. Erst jetzt ließ sich ermessen, wie wertvoll die Anschaffung der DL 25 war. Zur Brandbekämpfung reichten die Kräfte der Leester Wehr nicht aus, so dass die Wehren aus Erichshof, Melchiorshausen, Brinkum, die Syker Drehleiter sowie die Bremer Feuerwehr mit einer noch moderneren Drehleiter anrücken mussten.“40 

Das Luftbild von 1974 zeigt die Mühle von der anderen Seite. 42

Mühlengebäude in den 1990er Jahren. 43
1998 steht das Gebäude seit längerer Zeit leer und wird von der Gemeinde erworben.

Der Abriss 1998 macht Platz für einen Neubau des Polizeigebäudes, das vorher am Henry-Wetjen-Platz beheimatet war und zu eng geworden war. Dort zieht danach die "Alte Wache" ein, ein Seniorenzentrum. 44

Am Standort der Mühle entsteht das neue Polizeigebäude für das Polizeirevier Weyhe, das auch die Gemeinde Stuhr umfasst.