Paul Athmann
Kirchweyhe, Dorfstraße, zwischen Scharmarsch und Kirchweg, gegenüber Bäckerei Koldeweyh: Motormühle Johann Budelmann („Warn-Budelmann“) ab 1908.
Das um 1919 aufgenommene Foto zeigt links den Müllergesellen Dietrich Bothmer (später an Sudweyher Mühle) vor der Motormühle Budelmann in Kirchweyhe.
Bothmer hatte seine ersten Gesellenjahre nach 1911 in verschiedenen Mühlen verbracht. Nach dem 1. Weltkrieg fand er Arbeit in der Budelmann-Mühle. Dort lernte er auch seine spätere Frau kennen, die als Dienstmagd auf dem Hof Budelmann arbeitete. Bothmer blieb bis 1919. Danach arbeitete er bei der Reichsbahn und später in der Wassermühle Sudweyhe.1
Die Vollmeierstelle „Warn-Budelmann“ war 1870 durch Einheirat des Vollmeiers Heinrich Budelmann (Kirchweyhe Nr. 7) in den Hof Warneke (Kirchweyhe Nr. 6) durch Zusammenlegung beider Höfe
geschaffen worden. Der Sohn Hinrich Budelmann vereinzelte einen Großteil des Landes der beiden Vollmeierhöfe und erwarb den Gutshof in Schlieme.2
Im Dezember 1907 meldet die Syker Zeitung die Pläne „des Vollmeiers B.“ „zur Errichtung einer Dampfmühle neben seiner Wohnung“. Als Motivation nennt die Zeitung die Entstehung von Konkurrenz
angesichts der „glänzenden Geschäfte, die unsere Müller bei dem Emporblühen der Schweinezucht mit Futtermehlen machen“. Die überschüssige Kraft solle unter Umständen „für eine elektrische
Zentrale benutzt werden, welche die Häuser Kirchweyhes mit elektrischem Licht versorgt.“3
1908 scheint die Mühle gebaut worden zu sein, durch Hinrich Budelmann. Die Mühle ist dann auch Stromversorger für einen Teil des Dorfes Kirchweyhe.4 Im
frühen Sommer 1909 wird die Strom Erzeugung in Betrieb genommen.5 Im Mai 1909 haben sich erst wenige anschließen lassen, darunter einige
Wirtschaften.6
Budelmann beliefert die Dorfstraße und die Kirchstraße, inklusive der Kirche 7, mit Strom. „Mühlenbesitzer H.Budelmann verpflichtet sich lt. Mitteilung
v. 8.Juli 1909, den elektrischen Strom für die Beleuchtung der Kirche zum Preise von 30 Mark […] pro Jahr zu liefern.“ 8 Im November 1909 berichtet die
Syker Zeitung über einen Familienabend in der Kirche, bei dem den „Besuchern beim Eintritt das elektrische Licht der neuen Kronleuchter entgegen strahlte“. 9
1911 errichtet Heinrich Dunkhase in Kirchweyhe eine Gleichstromzentrale mit einem 50 PS Sauggasmotor, der auch zum Antrieb seiner Mühle dient. Ebenfalls 1911 wird in der Mühle Budelmann an der
Dorfstraße in Kirchweyhe eine Zentrale mit der gleichen Anlage eingerichtet.
1916 ist Hinrich Budelmann „abwesend“ (eingezogen zum Heeresdienst) und das Elektrizitätswerk wird von einer „Hilfskraft“ betrieben. Es wird seitens des Landrats des Kreises Syke untersucht, ob
das Netz von Dunkhase mit dem von Budelmann verknüpft werden kann und ob Dunkhase die Versorgung auch der Abnehmer von Budelmann sicherstellen kann. Es stellt sich aber heraus, dass die Netze
nicht kompatibel sind (Budelmann hat 110 V, Dunkhase 220 V Gleichstrom). Es erscheine technisch möglich, den Dynamo von Budelmann durch einen größeren Motor mit Strom aus dem Elektrizitätswerk
von Dunkhase antreiben zu lassen, so dass mehr als die gegenwärtigen 31 Abnehmer mit 520 Lampen versorgt werden könnten. Budelmann habe 9 Motoren mit 15 PS. Die Realisierung sei aber schwierig,
da Budelmann laut seiner Stellungnahme wohl kaum zu einer Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle bereit wäre. Eine Versorgung durch das E-Werk von Hüneke sei ebenfalls nicht sinnvoll, da die
Anlage von Hüneke nicht leistungsfähig genug sei.10
Die Gemeinde Kirchweyhe kauft nach 1921 die Ortsnetze Budelmann, Hüneke und Dunkhase auf und baut eigene Transformatoren-Häuschen bei gleichzeitigem Ausbau der
Niederspannung-Ortsnetze.11 Ein eigener Wirtschaftsbetrieb für Orts-Lichtnetze wird eingeführt. Vermutlich stellt die Mühle zu diesem Zeitpunkt auf
Elektro-Motor um und bezieht nun selbst den Strom.
Ab den 1950er Jahren war dann die Schlosserei W. Friedemann dort eingezogen.
Reinhard Koldeweyh von der benachbarten Bäckerei mit Schultüte. Im Hintergrund der Hof und die Mühle. Das Strohdachhaus von Budel-mann ist hier noch unver-sehrt.
Ein Foto des Schützenumzuges, vermutlich aus den 1950er Jahren, hält auch die Mühle Budelmann im Hintergrund fest.12
Die Mühle gehörte zum Hof Warn-Budelmann (neben der Mühle, mit Strohdach). Dieser brannte im 2. Weltkrieg ab und wurde später abgerissen.14
Die Reste des Hofes Budelmann im Jahre 1965. Im Hintergrund links die Mühle.15
Foto aus den 1970er Jahren: Neben der Mühle stand ein Transformator, der wohl nach 1920 die Stromversorgung durch die Überlandwerke sicher-stellte.16
Arnd Zeigler beschreibt die Mühle bzw. Schlosserei 2015 wie folgt: „ Ich kenne sie noch als Ruine. Das Tolle an dem Gebäude war: Es war ein absolutes (geheimes!) Kinderparadies. Man konnte durch eine Tür auf der Rückseite in das Gebäude, und drin herrschte blankes Chaos. Der ganze Boden des Hauses lag voll mit alten Maschinenteilen, alten Akten, alten Schriftstücken, alten Auftragsblöcken, die teilweise aus den 30er Jahren stammten und in Sütterlin-Schrift ausgefüllt waren.”17
Die Mühle Budelmann wurde 1979 abgerissen. Zu-letzt war dort die Schlosserei von Willi Friedemann eingezogen. 18
Weitere Fotos vom Abriss
An dem Platz der Mühle stehen 2018 Wohnhäuser (gegenüber der ehemaligen Bäckerei Koldeweyh). Die Mühle stand etwa dort, wo heute das Haus mit der Nr. 22c steht.19
Anmerkungen
1 (Greve, 1998) S.86 u. S.115f
2 Nach Angaben von Hermann Greve, Gemeindearchiv Weyhe
3 Syker Zeitung v. 16. Dezember 1907
4 (Meyer, Weyhe im Wandel der Zeit - Band 2, 2005) S.40
5 Vgl. Schreiben der Oberpostdirektion Bremen v. 27.8.1909 in: Kreisarchiv Diepholz Nr. 3231 „Die Elektrizitätsanlage des Mühlenbesitzers Budelmann in Kirchweyhe“
6 Syker Zeitung v. 11.5.1909
7 Syker Zeitung v. 10.7.1909
8 Ev.-Luth. Pfarrarchiv Kirchweyhe Rep-Az 513-3
9 Syker Zeitung v. 18.11.1909
10 Kreisarchiv Diepholz Nr. 3231 „Die Elektrizitätsanlage des Mühlenbesitzers Budelmann in Kirchweyhe“: Schreiben der Gewerbe-Inspektion zu Nienburg an den Landrat des Kreises Syke v. 17.Mai 1916 und Antwortschreiben des Landrats vom 18.Mai 1916
11 Vgl. (Esdohr, 1970) Hofstelle Sudweyhe Nr.101 „Mechanikus“ Warnecke
12 Repro: W.Meyer
13 Repro: W.Meyer
14 Repro von Foto aus den 1950er Jahren: W.Meyer
15 Repro: W.Meyer
16 Foto 1978: W.Meyer
17 Arnd Zeigler in Beitrag vom 31.12.2015 auf facebook (Gruppe „Weyhe früher“)
18 Foto: Jens J. (fb)
19 Foto: Arnd Zeigler 2018 fb wf